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Microsoft Academia Team an der FU Berlin

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Übersicht 

Gestern (11.03.2005) war Morris Sim, internationaler Leiter des Microsoft Academia Teams in Berlin, um sich mit Professoren und Studenten zu treffen. Ich hatte das große Glück, an der FU Berlin bei dem Treffen mit anderen Studenten dabei zu sein, zu dem Tomasz Naumowicz eingeladen hatte.

Mit freundlichen Grüßen,
Konrad Ludwig Moritz Rudolph

Inhalt

Bericht  

Zuerst einmal der Hintergrund des Daseins: Aus einer von Microsoft in Auftrag gegebenen Studie gehe hervor, dass besonders in Deutschland extrem wenig Software von Microsoft an den Hochschulen eingesetzt wird und die Akzeptanz für Microsoft-Produkte sehr gering ist.

Microsoft will nun herausbekommen, woran das liegt. Tja, und deswegen ist Morris Sim für drei Wochen in Deutschland und war gestern mit Wolfgang Krenz, der Academia in Deutschland leitet, auch in Berlin.

Zuerst einmal war es enttäuschend, wie wenige Leute da waren. Das Treffen war mit Absicht sehr kurzfristig angekündigt wurden, anscheinend mit dem Ziel, dass von Berliner Seite aus nicht Potemkinsche Dörfer aufgebaut werden könnten. Nun, auf die Mail von Tomasz Naumowicz am Donnerstag hin hatten sich anscheinend nur sieben Leute gemeldet, es kamen letztendlich außer mir nur vier.

Das ganze begann dann (nach dem Bestellen von Pizza) mit einer Zusammenstellung eines Fragenkatalogs der Anwesenden. Eine nette Herangehensweise, wie ich finde. Nun ja, irgendjemand musste die Fragen ja mitschreiben und das habe ich gemacht, daher habe ich den Katalog samt Notizen jetzt bei mir. :-)

Die interessanteren Fragen waren: Microsofts Stellung zur Free Software Foundation und zur GNU GPL, außerdem Fragen zu Microsofts Vorgehen bei Visual Studio 2005, insbesondere, wieso Microsoft es für nötig halte, existierende Open-Source-Third-Party-Werkzeug ( NUnit, NAnt) durch eigene zu ersetzen und nicht stattdessen die existierenden Tools unter ihren Support zu stellen (so wie das in der Open-Source-Gemeinschaft gang und gäbe ist, siehe Suse, Mandrake, Red Hat). Weiterhin war eine interssante Frage (ebenfalls, wie die vorhergehenden, vom anwesenden #Develop-Programmierer), warum Microsoft plötzlich in so großem Maßstab kostenlose Software verteilen würde, speziell waren die Express-Editionen von VS 2005 gemeint, die in direkter Konkurrenz zu #Develop stehen.

Um die Antworten darauf kurz zu fassen (die natürlich allesamt keine offiziellen Microsoft-Aussagen waren sondern lediglich Morris Sims Meinung wiedergaben):

Microsoft findet das Konzept von Open Source interessant und denkt, dass sowohl freie als auch kommerzielle Software eine Zukunft auf dem Markt haben wird und dass das eine ohne das andere nicht existieren kann. Im speziellen Fall der Open- bzw. Closed-Source-Diskussion würde man aber auf dem bekannten Pfad bleiben, weil z.B. im Falle des Betriebssystemkernels erhebliche Sicherheitsbedenken entstünden, sollte der Code veröffentlicht werden. Die bekannte Stellung eben. Zur GNU GPL äußerte er sich recht zurückhaltend. Eine der Ideen dahinter ist ja, dass der Nutzer des Codes faktisch über die selben Rechte bezüglich des Codes verfügt wie der Urheber. Das Argument desjenigen, der die Frage stellte war, dass man auch mit unter GNU GPL lizenzierter Software Geld verdienen kann und was der Vorteil der Microsoft-EULA sei.

Morris Sim hat das elegant auf historische Gründe zurückgeführt (Zitat: "for purely historical reasons"): Die Idee, dass Gedankengut ein Eigentum sei ("intellectual property" eben) und dass dies durch GNU GPL abhanden komme. Er hat aber eingeräumt, dass er nicht wisse, wie Microsoft das in Zukunft handhaben würde und dass bei Microsoft ständig Leute damit beschäftigt seien, die eigenen Lizenzbestimmungen zu hinterfragen und den Bedürfnissen anzupassen, Beispiel: das Testmodell der Family License in den USA.

Besonders diese Antwort fand ich recht aufschlussreich. Ich gewann wirklich den Eindruck, dass die Lizenzbestimmungen von Microsoft alles andere als in Stein gemeißelt sind. Microsoft scheint hier wirklich um einiges in die Zukunft zu blicken. Hier distanzierte sich Morris Sim übrigens explizit und vehement von der Musikindustrie und warf letzterer ein extrem verwerfliches und realitätsfernes Verhalten vor.

Jetzt wurde eine von mir gestellte Frage beantwortet, nämlich, warum genau Morris Sim gerade in Deutschland sei, beziehungsweise, was er sich von dem Besuch verspreche. Die Antwort zeigte, dass das Academia Team anscheinend bestens über die fundamentalen Veränderungen im deutschen Bildungssystem bescheid weiß und im Moment versucht, diese in ihre Kalkulationen einzubeziehen und ihre Strategie entsprechend anzupassen, um vor allem Studenten, aber auch Schüler besser erreichen zu können.

Microsoft gehe es ausdrücklich nicht darum, nur Microsoft-Produkte in die Schulen und Universitäten zu bekommen, sondern möglichst ein gleiches Verhältnis herzustellen, um den Schülern und Studenten eine möglichst große Palette an Werkzeugen zu zeigen und sie darin zu schulen.

Im Moment ist es tatsächlich so, dass Microsoft-Werkzeuge an deutschen Unis stark unterrepräsentiert sind, besonders im Entwicklerbereich, um den es speziell geht. Die Frage, die sich Microsoft in diesem Zusammenhang stellt, ist also "are we wanted?" - und wenn nicht, wie man dies verändern könne.

Als nächstes ging es um die Anfertigung alternativer Entwickler-Werkzeuge, um Open-Source zu ersetzen, am Beispiel von NUnit und NAnt. Die Antwort darauf ist denkbar simpel: Man reagiert auf explizite Kundenwünsche. Es werden wiederholt diese und jene Produkte von Microsoft gefordert und man bemüht sich darum, diese nachzuliefern. Hierbei gäbe es natürlich die Möglichkeit, im Sinne der GNU GPL einfach eigene Distributionen herauszugeben und Support dafür zur Verfügung zu stellen. Anscheinend wurde auch genau das im Falle von NUnit gemacht und zusätzlich ein neuer Name daraufgeklatscht.

Ich persönlich kann allerdings nicht nachvollziehen, was daran verwerflich sein soll: Schließlich wird im Falle von OpenOffice/StarOffice nichts anderes gemacht (wenn auch in die andere Richtung).

Als nächstes ging es um die Frage, wieso Microsoft soviel daran läge, alternative Entwicklertools zu verdrängen; schließlich gäbe es z.B. für Java auch mehrere Produkte, die in Harmonie nebeneinander existieren. Die Frage spielte speziell darauf an, dass #Develop durch die kostenlosen Express-Editionen der Visual Studio IDE wohl vom Markt gefegt würden. Hierzu konnte Morris Sim allerdings keine Auskunft geben, meinte aber, dass man wahrscheinlich einfach nichts von diesen Alternativen gewusst hatte, und versprach, die Information über die Existenz von #Develop ans Visual-Studio-Team weiterzureichen - worauf man ihm dann versicherte, das Visual-Studio-Team würde #Develop mit Sicherheit kennen.

Zuletzt brachte ich noch einen Vorschlag ein, nämlich den, Studenten über die MSDN Academic Alliance stärker in Microsofts Beta-Programm einzubinden, um dadurch eventuell ein schnelleres Feedback von zukünftigen Nutzern zu erhalten. Die Idee wurde erstaunlich überrascht - und positv aufgenommen.

Hier schweifte die Diskussion ein wenig ab, als ein anwesender Free Software Foundation-Verfechter noch einige Fragen stellte und Morris Sim in seiner Antwort ein Beispiel dafür brachte, wieso Borland, früher Marktführer für Entwicklertools, vom Markt gefegt wurde. Der Grund, ihm zufolge, war vor allem, dass Borland sich zu einem Zeitpunkt entschied, einen Kompatibilitätsbruch in der Sprache von dBase-Versionen vorzunehmen. Dieser Kompatibilitätsbruch hatte sie damals eine Menge Kunden gekostet.

Das Beispiel griff ich dann auf und skizzierte in kurzen Sätzen die aktuell laufende Petition auf ClassicVB. Die Antwort darauf war umwefend. Morris Sim ist anscheinend mit dem Projektleiter von VB.NET befreundet und sagte wörtlich: "Not a day goes by that they don't say to themselves 'oh my God, what have we done to the VB6 developers.'"

Man hatte wohl (wie ich nicht anders erwartet hatte) versucht, so viel Kompatibilität zu erhalten wie möglich, stieß aber dauernd auf neue Hindernisse und wurde sich klar, dass es einfach nicht ging. Aber das Problem beschäftige Microsoft weiterhin extrem - das lässt sich übrigens leicht nachvollziehen, wenn man darauf achtet, wie Microsoft für Visual Studio 2005 wirbt: einer der ganz oben angeführten Punkte ist ein besserer Konverter für VB6 nach VB.NET.

Als Zusammenfassung muss ich sagen: Das Gespräch war absolut cool. Außerdem fand ich die Atmosphäre schön locker. Das hatte ich zwar eigentlich auch erwartet, aber trotzdem ist man überrascht. Es ist eben absolut un-deutsch oder auch typisch amerikanisch.

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Kommentar von Herfried K. Wagner [AVB] am 23.08.2005 um 01:30

Immer diese Verschwörungstheorien. Mir ist kein aktuelles Microsoft-Produkt bekannt, das unerlaubt Daten an Microsoft sendet. Und "geheimes" Senden gibt es dank passender Software zur Überwachtung des Ausgehenden Datenverkehrs ohnehin nicht.

Kommentar von John Doe am 27.06.2005 um 09:58

Hi!

Auch wenn sich das jetzt sehr nach Verschwörungstheorien anhört: Ich glaube nicht, das Microsoft jemals einen anderen Standpunkt zu Open Source annimmt, oder Open Source "praktiziert". Da sie damit auch den Source-Code veröffentlichen müssten, und dann könnte jedermann sehen, was z.B. an Microsoft gesendet wird. Vielleicht wird das für "kleinere" Tools, o.ä. irgendwann einmal geschehen, aber dann hat die OS-Gemeinde Microsoft bereits überrollt.

So long,
John Doe

Kommentar von Konrad L. M. Rudolph am 24.06.2005 um 17:47

Hi Danny,
Nun ja, eigentlich steht das Datum (wie konsistent auf allen AVB-Seiten) ganz unten. Ich habe es jetzt auch noch oben (direkt hinter das "gestern") eingefügt. :-)

lg,
Konrad -

Kommentar von Kel am 24.06.2005 um 11:26

Ich finde in dem ganzen Bericht kein Datum. Nur ein gestern. Leider lässt sich so nicht nachvollziehen, wann das Gespräch stattgefunden hat. Bitte ändern.

Kommentar von Konrad L. M. Rudolph am 29.04.2005 um 14:01

Hallo,

entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich hatte bisher nicht bemerkt, dass zu der Kolumne Meinungen geäußert wurden.

> Wieso kam der Begriff "Shared Source" eigentlich nicht vor?
> Immerhin ist MS sehr aktiv dabei die Universitäten hier viel tiefer einzubinden.

Eine Versäumnis meinerseits. Der Begriff „Shared Source“ kam in der Tat vor und wurde diskutiert. Allerdings hinkt das Konzept. „Shared Source“ ist extrem restriktiv und verlangt allen Mitmachern einen strikten Geheimhaltungsvertrag ab, weswegen das Konzept kaum praktiziert wird: Es ist einfach nicht realistisch, in einer wissenschaftlichen Arbeit über gewisse Kenntnisse zu verfügen, diese aber nicht anwenden zu dürfen.
Ich versuche mal, das am Beispiel des Pen-and-Paper-Rollenspiels deutlich zu machen: Wenn man in einem Abenteuer einen Charakter spielt, muss man strikt zwischen Spielerwissen und Heldenwissen unterscheiden, sonst macht’s keinen Spaß: Ich als Person weiß vielleicht, dass hinter dem nächsten Felsen eine Räuberbande lauert, der Held, den ich verkörpere, weiß davon aber nichts und muss blind in die Falle tappen. Beim Rollenspiel ist solch ein Verhalten sehr schwer und wird oft nicht respektiert. In der Forschung oder der Wirtschaft wäre das einfach undenkbar.
So etwas klappt weder auf kurze noch auf lange Sicht. Um von vornherein nicht den Vorwurf aufkommen zu lassen, abgeschrieben und damit Vertragsbruch begangen zu haben, findet „Shared Source“ an Universitäten so gut wie keine Akzeptanz.

Kommentar von eckes am 13.03.2005 um 18:31

Wieso kam der Begriff "Shared Source" eigentlich nicht vor? Immerhin ist MS sehr aktiv dabei die Universitäten hier viel tiefer einzubinden.